Normalerweise habe ich keine Pflanze dabei, wenn ich abends weggehe. Aber gestern schon. Eine winzig kleine Pflanze in einem hübschen Topf, die noch nichts hat außer ein paar zögerlichen Blättchen. Sie stand im Treppenhaus auf einer Party und darunter hing ein Schild „Ableger zum Mitnehmen“. Also habe ich sie mitgenommen.
Ich habe zuhause keine Pflanzen. Pflanzen leben bei mir nicht lang und schon gar nicht gut. Sie werden von Katzen angefressen und ausgescharrt (in einigen Fällen sogar: als Katzenklo benutzt), sie verdorren oder verschimmeln. Ich dachte einmal, vielleicht lebt die Pflanze länger, wenn ich ihr einen Namen gebe. Das Zitronenbäumchen namens Florian wurde von einem Pilz befallen und starb einen schimmligen Tod.
In meinem Zimmer stehen zwei wunderschöne Stoffblumen, damit es wenigstens so aussieht, als könne dort irgendwas gedeihen. Um zu verdeutlichen, wie wenig ich eigentlich mit Pflanzen anfangen kann: Ich habe mich eines Tages dabei ertappt, wie ich mich wunderte, dass die Stoffblumen immer noch so gut aussehen, obwohl sie gar kein Wasser mehr haben.
Aber jetzt habe ich dieses Pflänzchen. Wir haben eine besondere Bindung, denn wir waren gestern abend schon einen zusammen trinken. Ich stellte den Topf in der Kneipe auf den Tisch und plötzlich wollten alle mal anfassen. Ich wurde aufgefordert, der Pflanze einen Namen zu geben und sie mit Bier zu taufen. Als ich mit der Pflanze an der Bar stand, wurde ich gefragt, ob ich noch ein bisschen Wasser dazu haben will. Als ich mit der Pflanze draußen rauchen war, fragte mich jemand, ob ich was mit Guerilla Gardening zu tun habe. Ich verstehe jetzt, warum Leute zum Weggehen ihre Tiere mitnehmen. Man wird immer angesprochen und hat immer was zum Erzählen. Ich war gestern die Frau mit der Pflanze. Vielleicht mach ich das ab sofort immer so.